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Neue Ventiltechnik verlängert Wartungsintervalle bei der selektiven Walzenkühlung

Am Tandemgerüst 6 bei thyssenkrupp Rasselstein hat Evertz Hydrotechnik mit dem Austausch der Ventiltechnik für die selektive Walzenkühlung die Wartungsintervalle der Ventile und Düsen von wenigen Wochen auf mehrere Jahre erhöht und die Kosten für die Instandhaltung deutlich gesenkt.

Die thyssenkrupp Rasselstein GmbH stellt am weltweit größten Produktionsstandort für Verpackungsstahl in Andernach pro Jahr etwa 1,5 Millionen Tonnen Weißblech her. Zu den wichtigsten Produktionsanlagen des Kaltwalzwerks gehört eine Tandemstraße mit sechs Walzgerüsten. In dieser Anlage werden die Walzen den Vorgaben der Planheitsregelung entsprechend in 56 über die Breite des Bandes verteilten Zonen mit bis zu 10.000 Liter Wasser pro Minute gekühlt. Die selektive Ansteuerung der einzelnen Düsen wird insbesondere verwendet, wenn sich auf den Arbeitswalzen ein thermischer Ballen ausbildet und die Planheit korrigiert werden soll. Außerdem wird sie generell für die Kühlung der Walzen eingesetzt.

Die im Jahr 1998 installierte Vielzonenkühlung hatte nach Jahren zuverlässigen Betriebes das Ende ihrer wirtschaftlichen Lebensdauer erreicht. Ein Grund dafür war, dass das Kühlwasser Eisenabrieb enthält, der die Düsen, Ventile und Dichtungen auf Dauer angegriffen hatte. Die Intervalle für den Austausch einzelner Düsen wurden kürzer. Auch die Wasserkästen über und unter dem Band mit insgesamt vier Düsenreihen waren über die Jahre hin ausgespült. Darüber hinaus wäre eine Instandsetzung oder das Aufschweißen der Bohrungen für die Ventile nicht wirtschaftlich gewesen.
Eine Besonderheit des Andernacher Werkes ist, dass für die Schmierung Palmöl verwendet wird. Teile dieses Öls reichern sich im Kühlwasser an. Dies führte dazu, dass die alten, dichtungsbehafteten Ventile verharzten und verklebten – sie mussten alle sechs bis acht Wochen gewechselt und instandgesetzt werden. Um die Wartungsintervalle deutlich zu verlängern und die Kosten zu minimieren, entschied Rasselstein, in eine neue Walzenkühlung zu investieren.
Im Gegensatz zu einer Reparatur bot dies die Möglichkeit, die Erfahrungen aus dem Betrieb der alten Anlage sowie neue Erkenntnisse in den Neubau einfließen zu lassen. Da geplant war, die Bandpresse am Gerüst 6 zu modernisieren, wurde beschlossen, im Rahmen dieser Maßnahme auch die Bandkühlung zu modernisieren.

Die Lösung

Evertz Hydrotechnik (EHT) schlug vor, die bisher verwendeten Kolbenventile durch die Phragmspray® Membransprühventile zu ersetzen, die das Unternehmen für stark verschmutze Kühlmedien entwickelt hat und die in der Branche als „Dirt Specialist“ bekannt sind. Sie bewähren sich anderem in den beiden Warmbandstraßen eines Aluminium-Walzwerkes, in dem seit 1999 sukzessive mehr als 2.000 Membransprühventile eingebaut wurden, die dort mit großem Erfolg im Einsatz sind.

Ein wichtiges Konstruktionsmerkmal der patentierten Phragmspray® Ventile ist die mehrlagige Edelstahlmembrane, die als hermetische Dichtung das Sprühmedium von der als Steuermedium dienenden Druckluft trennt.
Die patentierten i-Jet® Düsen erzeugen ein homogenes Sprühbild bei gleichzeitig stabilem Sprühstrahl. Langzeit-Versuche bei EHT haben gezeigt, dass die Ventile auch nach 25 Millionen Schaltzyklen die Ansprechzeiten von weniger als 100 Millisekunden und eine Schaltfrequenz von bis zu 2 Hertz exakt einhalten. Sicherheitsmerkmale wie die Überwachung von Druck und Drahtbruch sowie die automatische Entleerung des Sprühsystems bei Stillstand tragen darüber hinaus wesentlich zur hohen Betriebssicherheit des Systems bei.

Das Projekt

Wegen der besonderen Eigenschaften des Kühlwassers im Andernacher Werk bestanden jedoch anfangs Vorbehalte gegenüber den neuen Ventilen. Aufgrund der über viele Jahre guten, vertrauensvollen Zusammenarbeit fiel die Entscheidung schließlich für die Phragmspray®-Technologie von Evertz Hydrotechnik. Der Auftrag über den Revamp umfasste den Einbau eines vollständig neuen Kühlsystems mit insgesamt 112 Ventilen in vier Reihen, neue Wasserkästen und
einen Pneumatik-Steuerschrank. Nach der erfolgreichen Vorinbetriebnahme bei Evertz Hydrotechnik in Betzdorf und einem Workshop für die Bediener ging die neue Anlage im Januar 2018 in Betrieb – zeitgleich mit der neuen Bandpresse. Die Einbindung in die Prozesssteuerung konnte weitestgehend genutzt werden.
Das neue System arbeitet vom ersten Tag an störungsfrei, die Erfahrungen aus dem Betrieb sind ohne Ausnahme sehr positiv.
Alle von EHT zugesicherten Eigenschaften sind erfüllt, die Verfügbarkeit des neuen Kühlsystems liegt bei 100 Prozent.

Die ursprünglichen Erwartungen an die Wartungsfreundlichkeit der neuen Sprühventile wurden deutlich übertroffen: Während es das Ziel war, die Wartungsintervalle von sechs bis acht Wochen auf sechs Monate zu verlängern, arbeiten die neuen Membransprühventile seit nunmehr drei Jahren extrem zuverlässig. Die Funktion der Anlage wird bei jedem Programmwechsel routinemäßig mit dem sogenannten Düsentest überprüft, indem alle Düsen vor dem Einfädeln des ersten Bandes einzeln durchgetaktet werden. Im November 2019 – zehn Monate nach der Inbetriebnahme – wurden die Ventile zum ersten Mal inspiziert: Es waren keine Beanstandungen zu verzeichnen. Auch aus der Sicht der Instandhaltung ist das neue System deutlich einfacher zu handhaben. Das Sprühventil, die Düse und der Deckel sind konstruktiv zu einer Einheit verschmolzen.
Ist ein Tausch erforderlich, wird die vollständige Ventileinheit einschließlich der Düse aus dem Wasserkasten herausgezogen. Die im Vergleich mit dem alten System größeren Schrauben sind unverlierbarer und werden mit einem einfachen Ausbauwerkzeug gelöst. So ist die Konstruktion an die widrigen Umgebungsbedingungen, die am Auslauf eines Tandemgerüstes nicht vermeidbar sind, hervorragend angepasst. Aufgrund des deutlich reduzierten Wartungsaufwandes braucht die Instandhaltung nicht mehr wie vorher alle sechs Wochen einen Wartungsstillstand des Gerüstes von acht Stunden einzuplanen, was mit einer entsprechenden Reduktion von Kosten und einer Erhöhung der Verfügbarkeit des Gerüstes einhergeht. Aufbauend auf diesen Erfahrungen empfiehlt EHT, alle zwei Jahre einen kleinen Wartungseinsatz mit Inspektion, Reinigung und Ersatz der statischen Dichtungen durchzuführen und alle sechs Jahre einen großen, bei dem neue Membrankolben eingesetzt werden. Bewährt hat sich auch die neue Verbindung mit der Multikupplung vom Typ MK31 zwischen Steuerschrank und den Wasserkästen. Anders als bei der alten Anlage wird die Druckluft nicht in einzelnen Schläuchen zugeführt, sondern in einem gepanzerten Flexschlauch, der mit der Multikupplung an den Steuerschrank und die Wasserkästen angeschlossen wird. Sie sind deutlich robuster, über die eindeutige Indexierung verdrehsicher zu stecken und einfacher zu handhaben als die vorher verwendeten einzeln geführten Kunststoffschläuche.

Die Zukunft

Nach dem großen Erfolg des Projektes denkt das Team von EHT bereits weiter: Für andere Anlagen, die schnellere Reaktionszeiten und eine Schaltfrequenz von bis zu 5 Hz erfordern, werden zurzeit die rein elektrischen Sprühventile der Coolectro®pro–Serie im Dauerbetrieb getestet, ebenfalls mit den für das Rasselstein-Werk typischen, aggressiven Emulsionen. Um dort zu bestehen, wird ein leistungsoptimierter, hermetisch getrennter Magnetantrieb eingesetzt. Die ersten Ergebnisse werden Mitte 2022 erwartet.